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Konjunktur für eine Leiche

Theater AG des Gymnasiums Stolzenau begeistert mit Aufführung des Dürrenmatt-Klassikers „Der Besuch der alten Dame“

Die Zuschauerinnen und Zuschauer der Premiere der neuesten Produktion der Theater AG des Gymnasiums Stolzenau durften einen anregenden und – trotz der Schwere der Thematik – sehr kurzweiligen Abend erleben: Mit der Inszenierung des modernen Klassikers Der Besuch der alten Dame von Friedrich Dürrenmatt zeigte sich das talentierte Ensemble unter der bewährten Leitung von Elisabeth Fritsch und Willem-Alexander Rode von seiner besten Seite und wusste das Publikum gekonnt in seinen Bann zu ziehen. Die schauspielerisch bemerkenswerten Leistungen unterstützten die überzeichnete und groteske Handlung, die die Zuschauer zur Infragestellung ihrer vermeintlich so sicheren moralischen Haltung trieb.


Claire Zachanassian, die von Tineke Petersohn in ihren abgründigen Facetten glaubwürdig verkörpert wurde, kehrt nach vielen Jahrzehnten als Multimilliardärin in ihren Heimatort Güllen zurück. Nicht nur die Bürgermeisterin des heruntergekommenen Städtchens, die von Yasmin Akan überzeugend als hinterhältig und unfähig dargestellt wurde, erwartet sich von dem hohen Besuch viel. Schließlich war Güllen einst wohlhabend und so bedeutend, dass Goethe und Brahms dort eine Zeit verbrachten; heute halten kaum noch Züge, die Industrie hat sich zurückgezogen und ein Großteil der Güllener Bevölkerung (bodenständig: Dana Kieck, Vanessa Hillmer, Tolga Taskara und Elias Meinhardt) ist arbeitslos. Der wirtschaftliche Aufschwung soll mit einer Spende der betuchten alten Frau kommen, die man sich erhofft. Zu diesem Zweck soll Zachanassians alte Jugendliebe Alfred Ill, dessen emotionale Achterbahnfahrt Kristof Meier hervorragend spielte, sie umgarnen und ihre Bereitschaft fördern. Niemand rechnet jedoch damit, dass die reiche Dame ein ganz eigenes Spiel spielt. Sie kommt nämlich nicht zufällig in ihre Heimat zurück, sind ihr Menschen doch letztlich egal, wie die im Tagestakt beständig wechselnden Ehegatten zeigen (höchst amüsant in einer Vierfachrolle: Jonathan Schwiering). Wie ihr Butler, der ehemalige Oberrichter Hofer (mit würdevoller Gravitas: Tom Artem Hodann) den erstaunten Güllenern ausführt, sinnt sie auf Rache. Einst wurde sie als Folge der Liebesspiele mit Ill schwanger, der leugnete aber die Vaterschaft und bestach zwei Männer (tragikomisch: Mika Fischer und Liam Kneißl) auszusagen, sie hätten sie geschwängert. Sie fiel in Ungnade, musste Güllen verlassen und sich prostituieren, um zu überleben. Das Kind verstarb. Durch Heirat mit einem Multimilliardär kam sie aber zu Geld und dreht nun den Spieß um. Sie bietet den Güllenern eine Milliarde, wenn sie Alfred Ill töten. Nicht nur die Lehrerin des Ortes, stark in ihrem inneren Konflikt dargestellt durch Antonia Heitmüller, lehnt dieses Angebot angesichts der humanistischen Tradition des Ortes vehement ab. Claire Zachanassian übt sich aber in Geduld und schon bald tragen nicht nur die forsche Polizistin (präsent: Maja Olkiewicz) und die zurückhaltende Ärztin (authentisch: Ulrike Bernauer) neue Schuhe und gönnen sich einen höheren Lebensstandard, selbst Ills Frau (emotional auftrumpfend: Finja Schlue) und seine Tochter (höflich zurückhaltend: Maren Jesse) kaufen plötzlich über ihre Verhältnisse auf Kredit ein. Die Nonne des Ortes (scheinheilig: Hannah Hatlapa) vertraut auf Gott, Claire Zachanassian darauf, dass die Macht des Geldes über die Moral siegt. Alfred Ill wird zum Spielball dieser perfiden Versuchsanordnung, die jeden Zuschauer aufforderte sich selbst zu befragen, wie viel Güllen in ihm steckt…

Unverzichtbar für die Wirkung des Stücks war freilich auch wieder der stimmige Einsatz von Licht- und Tontechnik durch die verlässliche Technik-AG unter der Leitung von Christiane Sprick. Nicht zuletzt ermöglicht der Förderverein des Gymnasiums Stolzenau durch seine großzügige finanzielle Unterstützung immer wieder erst die Durchführung solcher Projekte. Es bleibt zu wünschen, dass dies auch zukünftig so bleibt. Die Theater AG wird nach den weiteren Aufführungen am Montag und Mittwoch wieder auf die Suche nach einem neuen Stück gehen, das im nächsten Jahr zur Aufführung gebracht wird. Darauf darf man angesichts dieser talentierten Gruppe von Schülerinnen und Schülern schon jetzt gespannt sein. Schon am 10. März kann man am selben Ort aber schon sehen, was die Musicalklassen der 5 und 6 des Gymnasiums sowie die S3 der Helen-Keller-Schule zu bieten haben, die dann mit ihrem Musical „Im Riff geht’s rund“ Premiere haben werden.